Kira Keune beschreibt sich selbst als multidisziplinäre Künstlerin. Das Thema des Digitalen in der Gesellschaft und dessen Auswirkungen auf gesellschaftliche Strukturen, Kommunikationsebenen und Moralvorstellungen spielt in Kira Keunes Arbeiten eine große Rolle. 

Sie interessiert sich in ihrer künstlerischen Auseinandersetzung besonders für das Phänomen der Digitalität. Ihr Ziel ist es, in ihren Arbeiten eine analoge Übersetzung für die digitale Sprache zu finden. Sie erforscht diese Sprache, sucht sie zu durchdringen und macht sie im Analogen haptisch greifbar. 

 

Dort, wo dem Digitalen die Körperlichkeit fehlt, setzt Keune eine analog wahrnehmbare und berührbare Wirklichkeit als Kontrast entgegen. Ein weiteren Fokus legt sie auf die orts- und situationsbezogene Arbeit. Das in Beziehung treten und zwischenmenschliche Verhalten ist ein Thema das Kira Keune schon lange beschäftigt. So hat sie zum Beispiel auch im öffentlichen Raum immer wieder Installationen erschaffen, die als Begegnungsorte oder Treffpunkte fungieren, auf die Orte selbst Bezug nehmen und diese für Betrachter*innen neu erfahrbar machen. 



Self-Portrait 2.0


Die Arbeiten mit dem Titel Self-Portrait 2.0 könnten als eine zeitgenössische Variante des Selbstporträts definiert werden. 

Kira Keune nutzt Ihre von Instagram und Facebook gesammelten Daten als Material und konzeptuelle Grundlage. Alle mit Ihr in Verbindung stehenden Kommentare, Posts, Likes, Follower etc. werden in Form eines Graphen visualisiert und zeugen von einer abstrakten und zugleich klaren Ästhetik. 
Die aus der Informatik und Mathematik stammenden Graphen werden hier als Werkzeug verwendet, welches direkt auf dem Kern der Sozialen Netzwerke arbeiten kann.
Nutzer*innen von Plattformen der Sozialen Medien sind solch aggregierte Darstellungen ihrer Daten meist nicht zugänglich. 

Denn durch ihre Ursprungsform und die nicht freie Verfügbarkeit werden sie quasi unsichtbar, schwer zugänglich, bzw. scheinen verschleiert.

Dabei ist gerade das Sichtbarmachen von Privatem ein existenzieller Faktor in den Sozialen Medien. Private Fakten und Bilder werden an Orten geteilt, die Privat und Öffentlich zugleich sind. In den sozialen Medien steht die einzelne Person im Zentrum und jede*r User*in kreiert das eigene, perfekte Umfeld. 
Genau dieser Aspekt wird in der Arbeit aufgegriffen, in dem die Masse an Daten, die unser heutiges Ich fast mehr definieren als andere Aspekte, zu einer Art Zeichnung wird und somit die Künstlerin selbst in ihren unterschiedlichen digitalen Facetten zeigt. 



Swipe Right For Success

Tinder ist eine von vielen kommerziellen Dating Apps und benutzt das Swipe System um Matches zu finden. Wenn eine Person gefällt, wird nach rechts gewischt, ansonsten nach Links. Bei Übereinstimmung entsteht ein Match und die Personen haben die Möglichkeit in der App-internen Chatfunktion miteinander zu kommunizieren. 

Für diese Arbeit hat Kira Keune einen Account bei Tinder eröffnet. Mithilfe eines selbstgewählten Rhythmus hat sie so nicht nach persönlicher Präferenz, sondern nach einem auferlegten System gewischt. 

Die Vielzahl der daraus entstanden Matches wurden jedoch keineswegs von ihr angeschrieben, sondern sie hat gewartet, bis der Gegenüber den Kontakt aufnahm. Ohne zu antworten hat Kira Keune dann diese Sätze sorgfältig in Heften niedergeschrieben, um diese dann später auf Lebkuchenherzen zu übertragen. 

 

In der Regel kaufen auch heutzutage immer noch Männer den Frauen ein Lebkuchenherz, versehen mit einem Band kann die Frau dann das Herz um den Hals tragen, mit dem Spruch für alle anderen lesbar. 

Hier wird diese, ursprünglich doch eher romantische, Geste umgewandelt. Die vermeintliche Distanz des Digitalen und die damit niedrige Hemmschwelle äußert sich auf Plattformen wie Tinder in oft obszönen Ansprachen, die hier öffentlich gemacht werden. Sprüche auf Lebkuchenherzen, die oftmals weder liebevolle noch romantische sind, und nicht verschönt daherkommen, hängen hier in der Masse aufgereiht vor den Betrachter*innen und spiegeln so einen oftmals unsichtbaren Aspekt der digitalen Welt wider.